Neuburger Rundschau - 20. Mai 2023
Eine Neuburger Institution wird 50
Am 21. Mai 1973 fand das erste Training der Donaunixen im Parkbad statt. Gründerin Barbara Rauscher erzählt, wie einst alles begonnen hat, spricht von besonderen Erinnerungen und verrät das Erfolgsrezept.
von Benjamin Sigmund
Die erste Neuburger Mannschaft im Synchronschwimmen im Jahr 1973: Barbara Rauscher (vorne) mit Dagmar Tiedemann (von links), Daniela Rädisch, Christa Mayershofer, Claudia Kreil, Doris Glogger, Sabine Streckel, Cornelia Mayer und Margarete Enzmann. Foto: TSV Neuburg
Treffpunkt Parkbad Neuburg. Einen geeigneteren Platz für dieses Gespräch hätte es nicht geben können. Denn für Barbara Rauscher ist dieser Ort eine Art Wohnzimmer. Unzählige Stunden hat sie hier verbracht, zahlreiche Schülerinnen unterrichtet, gelacht und ihre Leidenschaft ausgelebt.
Hier hat einst alles begonnen, was in fünf Jahrzehnten zu einer großen Erfolgsgeschichte geworden ist. Barbara Rauscher kann sich an nahezu jedes Detail erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Obwohl inzwischen 50 Jahre vergangenen sind, seit sie am 21. Mai 1973. ihre erste Unterrichtsstunde im Synchronschwimmen in Neuburg gegeben hat und damit für die Geburtsstunde des Sports in der Donaustadt gesorgt hat. Ein halbes Jahrhundert später zählt Neuburg zu den Hochburgen in ganz Deutschland. Viele Mädchen haben bei den Donaunixen klein mit dem Sport angefangen, später zahlreiche Medaillen bei verschiedenen Meisterschaften gewonnen. Das ein oder andere hat sich sogar den Traum verwirklicht, an einer Europa- oder Weltmeisterschaft teilzunehmen. Synchronschwimmen ist aus Neuburg längst nicht mehr wegzudenken.
Selbstverständlich ist diese Entwicklung nicht, es hätte auch alles ganz anders kommen können. Barbara Rauscher blickt über das kleinere der beiden Becken im Parkbad. „Genau hier hat alles angefangen", sagt sie und beginnt zu erzählen. Von langer Hand geplant war damals nichts, vielmehr sei alles ein „großer Zufall" gewesen. Ein Jahr zuvor, also 1972, war die gebürtige Oberpfälzerin der Liebe wegen aus München nach Neuburg gezogen. Im damals noch recht neuen Neuburger Hallenbad fand 1973 die bayerische Meisterschaft im Kunstschwimmen, wie der Sport damals noch hieß, statt. Ohne eine Neuburger Mannschaft, die es noch nicht gab. Barbara Rauscher besuchte die Veranstaltung als Zuschauerin, schließlich hatte sie bereits ihr ganzes Leben ein Faible für den Sport, war als Aktive dreifache deutsche Meisterin im Duett und siebenfache Titelträgerin in der Gruppe.
Bei den Wettkämpfen traf sie ehemalige Bekannte von den Münchner Isarnixen, bei denen sie einige Jahre zuvor aktiv war. „Ich habe einen Anpfiff bekommen, warum es in Neuburg keine Synchronschwimm-Mannschaft gibt", erzählt sie verschmitzt. Der Abteilungsleiter der TSV-Schwimmer Fritz Stoll habe das mitbekommen und sie gebeten, am nächsten Tag doch gleich mal vorbeizukommen. Die damals 24 Jahre alte Frau nahm das Angebot gerne an und ging an jenem Montagabend 1973 ohne große Erwartungen ins Hallenbad. „Ich habe gar nicht gewusst, welche Mädchen ich bekomme", erzählt Barbara Rauscher. Im größeren Becken fand gerade ein Training im Bahnenschwimmen statt. Schnelligkeit steht dabei im Vordergrund, nicht Eleganz oder Ästhetik. Sechs Mädchen nutzten die sich bietende Möglichkeit, wechselten das Becken und hörten sich an, was Barbara Rauscher zu berichten hatte.
Claudia Heckel, die damals noch Reil hieß und elf Jahre alt war, erinnert sich noch gut an diesen Tag: „Wir haben uns gedacht, das bringt Abwechslung und könnte Spaß machen." In der Folge übten sie und ihren Teamkolleginnen noch beide Wassersportarten aus, ehe sich viele allein für das Kunstschwimmen, entschieden.
Der erste Auftritt der noch jungen und kleinen Mannschaft sollte einige Monate später bei den Neuburger Stadtmeisterschaften im Schwimmen folgen. Während es in erster Linie um schnelle Zeiten ging, erstaunten die Synchronschwimmerinnen mit ihrem Auftritt. Am Freitag, 19. Oktober 1973, war in unserer Zeitung zu lesen:
"Eine Sensation erlebten die Neuburger Schwimmsportfreunde: das erstmalige öffentliche Auftreten der Kunstschwimmriege des TSV Neuburg. Die in aller Stille von Frau Rauscher vorbereitete Darbietung war der mit stürmischem Beifall bedachte Höhepunkt der Stadtmeisterschaften 1973 im Schwimmen. Die von ihrer Lehrmeisterin in kürzester Zeit ausgebildeten sechs Schülerinnen zeigten ihren kunstvollen Reigen im Wasser mit kindlicher Anmut und einer schon beachtlichen Sicherheit. Die Begeisterung des Publikums war der verdiente Lohn für Frau Rauscher und die Mädchen. Mit seiner neuen Riege hat der TSV die Neuburger Sportpalette erfreulich bereichert."
Sätze, die einem Blick in die Zukunft gleichkommen. Zu jener Zeit war schließlich nicht absehbar, wie viele Erfolge folgen und welch große Anzahl an Zuschauerinnen und Zuschauern noch Freude an den Darbietungen der Donaunixen haben sollten. Ohne Barbara Rauscher, was auch Claudia Heckel weiß, wäre all das niemals möglich gewesen. Für eine Beschreibung der Bedeutung der Gründerin fehlen ihr nahezu die Worte. „Sie ist eine Institution und einfach das Größte für das Synchronschwimmen in Neuburg", sagt sie über ihre damalige Trainerin, unter deren Obhut ihre Tochter Natascha Heckel zu einer der erfolgreichsten Neuburger Synchronschwimmerinnen wurde.
Doch Barbara Rauscher ist bescheiden, gibt das Lob weiter. Ohne engagierte Mitstreiterinnen hätte das damalige Kunstschwimmen in der Donaustadt schnell wieder Geschichte sein können, sagt sie. Schon 1975 oder 1976 hätte das gerade Erbaute wieder zusammenbrechen können. Barbara Rauscher war schwanger, fand in Gisela Kotzur, später auch in Emmy Luba und vielen, vielen anderen große Unterstützung.
Auch in den Jahrzehnten danach hielt die Sparte, die. erst nach dem Erhalt der besonderen Auszeichnung „grünes Band" 1998 zur eigenen Abteilung innerhalb des TSV Neuburg wurde, ein scheinbar einfaches, aber nicht leicht urnzusetzendes Konzept am Leben, ließ sie sogar wachsen. Viele Sportlerinnen wurden nach ihren Karrieren selbst zu Trainerinnen, gaben ihr Wissen an die nächsten Generationen weiter. „Man muss die Leute anschubsen, nicht bremsen", sagt Barbara Rauscher. „Ich hatte Menschen, die mich gefördert haben, und ich habe rückblickend gesehen selbst viele gefördert!'
Noch immer aktiv: Barbara Rauscher (rechts) mit Claudia Heckei, die eine ihrer ersten Schülerinnen war. Foto: Benjamin Sigmund
Dazu gehörte zweifellos auch ihr erstes Team, das 1975 den ersten großen Erfolg feierte und bayerischer Meister wurde. Wie viele Schülerinnen sie insgesamt trainierte, weiß Barbara Rauscher nicht, kann die Anzahl nicht einmal schätzen. Es sind in 50 Jahren schlicht zu viele. Über ein Wiedersehen freue sie sich jedenfalls immer. Thema sei dann nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart. „Mich interessiert, was sie jetzt im Leben machen!'
Sprechen könnte sie wohl über jedes Detail, sie hat einzelne Jahreszahlen im Kopf, könnte stundenlang über jeden Wettkampf und Auftritt berichten. Bei der Frage nach einem Höhepunkt muss Barbara Rauscher dennoch nicht lange überlegen. „Die deutsche Jugend- und Juniorinnen-Meisterschaft 1990 in Bochum", schießt es aus ihr heraus. Neun Titel in sämtlichen Wettbewerben waren ein einzigartiger Erfolg, weswegen die Donaunixen erstmals als „bester Synchroverein Deutschlands" ausgezeichnet wurden. Ein Erfolg, der es auch ermöglichte, insgesamt dreimal die deutschen Altersklassenmeisterschaften in Neuburg auszutragen.
Denn obwohl Spaß an der Bewegung wichtig sei, zählt auch der Gewinn von Medaillen. „Wir sind schon leistungsorientiert", sagt Barbara Rauscher. Ziel sei es, „Mädchen in die Nationalmannschaft zu bringen". Dies gelang mehrfach, wichtige Errungenschaften sind etwa die Teilnahmen an Weltmeisterschaften von Claudia und Angela Pogadl (1994 in Rom), Cornelia Libal (2001 in Fukuoka), Natascha Heckel (2009 in Rom) sowie Lisa Königsbauer und Lisa-Sofie Rinke (2017 in Budapest).
Auch persönlich wurde Barbara Rauscher mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, hat sich nicht nur um ihren Verein verdient gemacht. Ab 1987 fungierte sie als Wertungsrichterin des Weltschwimmverbandes. Nachdem sie bei drei Europameisterschaften und vielen Jugend-Europameisterschaften im Einsatz war, folgte 2007 zum Abschluss ihrer internationalen Karriere „mein absoluter Höhepunkt" bei der Weltmeisterschaft in Melbourne in Australien. Seit 1992 gehört Barbara Rauscher auch dem Präsidium des Bayerischen Schwimmverbandes als Fachwartin für Synchronschwimmen an. Damit ist es nach 31 Jahren nun vorbei, bei den am Wochenende stattfindenden Neuwahlen tritt sie nicht mehr an.
Dass sie diese Aufgaben so lange ausgeübt hat, ist bewundernswert und nicht selbstverständlich. „Es gab schon Dinge, die mich geärgert haben, meine Rücktrittsrede war einmal schon formuliert. Aber man darf nicht im Affekt handeln, sollte drei oder vier Nächte darüber schlafen und die Türe nicht schließen, sondern immer einen Spalt weit offen lassen", sagt sie. Ein Rücktritt bei ihrem „Baby", den Neuburger Donaunixen, wäre ihr hingegen nie in den Sinn gekommen. „Es ist vergleichbar mit einem Hausbau. Wenn etwas kaputtgeht, muss man es richten. Als Gründerin ist man noch viel mehr mit dem Herzen dabei, als wenn man dazukommt!' Das Haus steht nach wie vor, prachtvoller denn je, die Planungen für die Jubiläumsfeier im Oktober laufen.
Dass es in 50 Jahren auch schwierige Phasen gab, ist logisch. Gerade in der Zeit von 1996 bis 1998, als das Parkbad renoviert wurde und man nach Ingolstadt, Schrobenhausen und München ausweichen musste. Oder die Corona-Pandemie, als während der Lockdowns die Ausübung des Sports nicht möglich war.
Barbara Rauscher und ihre Mitstreiterinnen haben all das gemeistert. Noch immer steht die 74-Jährige bis zu vier Tage in der Woche am Beckenrand und lehrt ihre Schülerinnen mit der gleichen Begeisterung wie eh und je. Zumeist im Parkbad. An dem Ort, an dem vor 50 Jahren am 21. Mai 1973 die Erfolgsgeschichte der Neuburger Donaunixen begann.